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schwaches Herz

Um einen genaueren Einblick in mein Krankheitsbild  zu erhalten wurde mir geraten eine GEN-Untersuchung vornehmen zu lassen. Diese Diagnostik wurde zu dem Zeitpunkt bundesweit in zwei Kliniken durchgeführt. Ich entschied mich somit in Münster vorstellig zu werden. Eine liebe Freundin erklärte sich sofort bereit mich zu fahren. Ich selbst durfte nach meinem Herzstillstand sechs Monate nicht hinter das Steuer. Die Fahrt wird mir sicher ewig in Erinnerung bleiben, hatte ich während ihr erstmalig erfahren, wie die Wirkung der Entwässerungestabletten einem das Leben schwer machen kann - mitten im Wohngebiet bei Minusgraden. Das überstanden war er da, mein Erstkontakt mit einer Uniklinik und wahrhaftig nicht der letzte in meinem Leben. Es wurde ordentlich Blut abgezapft und schon konnten wir wieder abreisen. Nach einigen Wochen kam der Bescheid. Ich habe eine äußerst seltene Mutation im Lamin A/C-Gen (LAMN). Diese ruft Muskeldysthropien hervor - in meinem/unserem Fall ist vorrangig der Herzmuskel betroffen.

 

Meine Arbeitsstelle als Personalsachbearbeiterin in einer Krankenhausholding musste ich nach dem Ausbruch des Gendefekts aufgeben, konnte aber innerhalb der Holding wechseln und kehrte an meinen früheren Ausbildungsplatz zurück. Dort arbeitete ich zunächst in Vollzeit im Sekretariat der Anästhesie und Intensivmedizin. Einen besseren sicheren Arbeitsplatz hätte es für mich nicht geben können.

 

Nachdem ich aus ärztlicher Sicht das “OK” eingeholt hatte, ging es im Jahr 2009 nach Gran Canaria in den Urlaub. Sonne tanken und etwas abschalten. Am Flughafen gab es aufgrund des Defis eine kleine Sonderbehandlung, ansonsten war alles ganz normal und ohne medizinische Zwischenfälle.  Im Winter durfte ich mit meinen Mädels nach Ischgl fahren. Ganz hoch ging es für mich jedoch nicht. Bis 1500 m danach ist Schluss. Ein Glück, das Ischgl auf 1377 m liegt. Die vier Tage im Schnee waren sehr schön.

 

Nach einigen Monaten wurde mir meine Bürotätigkeit zunehmend anstrengender. Für mich anfangs unerklärlich, habe ich doch die meiste Zeit nur gesessen. Dennoch musste ich mich nach dem Arbeitstag zu Hause sofort ausruhen, konnte kaum meinen Haushalt bewältigen. Meine Mutter hat mir in der Zeit sehr geholfen und mich dabei unterstützt. Mein Vater hat mir Fahrten und Einkäufe abgenommen. 

 

Anfangs war es sehr schwierig mir einzugestehen, dass ich viele Arbeiten nicht mehr allein bewältigen konnte. Bei der geringsten Anstrengung war ich außer Atem. Ich war auf Hilfe angewiesen und habe mich oft als Belastung für meine Mitmenschen gesehen. Meine Familie und mein Freundeskreis haben mir das sofort ausgeredet, so dass ich mit der Situation besser umgehen konnte. Ich bin eben nicht mehr ganz so fit und das wurde von allen berücksichtigt, schlussendlich auch von mir. 

 

Doch mit der Zeit nahm mich meine Krankheit immer enger in den Griff. Ab dem Frühjahr 2010 konnte ich nur halbtags arbeiten, musste mich nachtmittags dennoch ausruhen bevor ich etwas erledigen konnte. Ohne die Hilfe meiner Eltern und Freunde wäre ich aufgeschmissen gewesen.

 

Im Frühsommer 2010 konnte ich mit meiner Mutter noch einmal eine wunderschöne Mittelmeer-Kreuzfahrt genießen. Diese war ursprünglich erst 2012 geplant, zum 60. Geburtstag meiner Mutter. Als ob ich eine Vorahnung hatte, habe ich ihr gesagt, „warum nicht dieses Jahr? Wer weiß, wie es mir in zwei Jahren geht.“ Während der Reise habe ich jeden Tag, jede Stunde und jede Minute genossen. Das Erlebte und die verschiedenen Erinnerungen nur so in mir aufgesogen. Ich wusste innerlich, dass ich für eine längere Zeit das Meer, welches ich so liebe, nicht wiedersehen werde. Mein Freund ist am Ende der Kreuzfahrt auf Mallorca zu uns gestoßen und wir konnten zu zweit eine schöne ruhige Zeit auf der Insel genießen.

 

Ab Dezember 2010 ging es mir zusehend schlechter. Die meiste Zeit habe ich auf dem Sofa verbracht. Termine im Freundeskreis habe ich so gut wie gar nicht mehr wahrgenommen, ich war einfach zu erschöpft. Die Rhythmusstörungen wurden stärker, dauerten länger und traten vermehrter auf. Zum Jahreswechsel ging es mir so schlecht, dass ich es kaum noch aushalten konnte. In wenigen Tagen hatte ich zu dem fünf Kilo zugenommen, konnte kaum Essen und musste mich oft übergeben. Mein Körper hat aufgrund der Herzschwäche bereits erneut Wasser eingelagert. Der Silvesterabend war eine reinste Qual. 

 

Im neuen Jahr habe ich mich dennoch zur Arbeit „geschleppt“. Mein Gedanke war, so lange ich es zur Arbeit schaffe, wird es nicht so schlimm sein. Letztendlich wusste ich, dass ich mir etwas vormache und habe geahnt, dass mir eine schwere Zeit bevor steht. Meine Kollegin, die mir über die Jahre eine liebe Freundin geworden ist, hat mich gedrängt in der Kardiologie vorstellig zu werden. Dort war ich nicht unbekannt, hatten die Ärzte mich ja während meines Aufenthaltes 2008 betreut und wieder aufgepäppelt. Das Herz-Echo gab Gewissheit. Die Herzleistung betrug nur noch 20%.

 

Nachts konnte ich nicht wirklich schlafen, musste mich übergeben. Die Atemnot war groß und so langsam bekam ich Angst. Am nächsten Morgen bin ich zum niedergelassenen Kardiologen, der bereits meinen Vater betreut hat, gefahren. Dort wurde mir ein Entwässerungsmedikament gespritzt und ich war innerhalb von fünf Stunden wieder vier Kilo leichter. Er riet mir in der Transplantations-Klinik in Hannover vorstellig zu werden. Mein Vater hatte einen  Kontrolltermin dort, also bin ich direkt mitgefahren. Meine Untersuchungsergebnisse waren so schlecht, dass zehn Tage  später die stationäre Aufnahme zur Abklärung einer Listung zur Herztransplantation erfolgte. Ein Wert war aber gerade noch zu gut, so dass ich nach zwei Wochen wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurde.  Doch ab diesem Zeitpunkt durfte ich gar nicht mehr arbeiten.

 

Aufgrund der Tatsache, dass die Klinik 100 Kilometer von meinem Elternhaus und 450 Kilometer von meinem damaligen Freund entfernt liegt, habe ich mir für den nächsten Kontrolltermin die Klinik in Heidelberg ausgesucht. Bei der ersten Untersuchung wurde eine Herzleistung von ca. 12% festgestellt. Eine Woche später erfolgte die stationäre Aufnahme für die diversen Untersuchungen zur Listung. Ich wurde komplett auf den Kopf gestellt um sämtliche Entzündungen oder Diagnosen, die einer Transplantation im Wege stehen würden, ausschließen zu können. Ende Juni stand mein Geburtstag an, den wollte ich noch einmal mit allen meinen lieben Mitmenschen feiern. Ich habe mit dem Oberarzt „verhandelt“ und durfte nach Hause. Er hat mit den Worten, "versuchen sie es, aber wir werden uns eher wiedersehen als Ihnen lieb ist", grünes bzw. orangenes Licht gegeben. 

 

Zu Hause angekommen konnte ich mich nur noch mit dem Rollstuhl fortbewegen. Nachts war es besonders schlimm. Die Luftnot war unerträglich. Ich konnte nicht mehr liegen und maximal zwei Stunden im Sitzen schlafen. Es dauerte nicht lange und ich hatte wieder ziemlich viel Wasser eingelagert. Somit bin ich  im Heimatkrankenhaus vorstellig worden, wurde intensivmedizinisch behandelt und der Chefarzt hat sich mit den Heidelberger Ärzten in Verbindung gesetzt. Es wurde vereinbart, dass ich dort schnellstmöglich stationär aufgenommen werde. Mein Herz hat mir also einen Strich durch die Rechnung gemacht - der Oberarzt hatte Recht. Einen Tag vor meinem Geburtstag habe ich in Heidelberg „eingecheckt“.

 

Ich muss zugeben, dass ich regelrecht froh gewesen bin endlich ins Krankenhaus zu kommen. Die Angst, nachts zu Hause zu ersticken oder wieder einen Herzstillstand zu erleiden, war einfach zu groß. Nach dem das Gremium von mehreren Ärzten aus verschiedenen Fachabteilungen meine Unterlagen mit den aktuellen Werten nach Leiden an Eurotransplant gesendet hat, kam ich direkt auf die Hochdringlichkeitsstufe und durfte mein neues "Zuhause" nicht mehr verlassen.

 

Nun hieß es abwarten.

 

Wann kommt das passende Spenderherzangebot?

 

Kommt ein passendes Spenderherzangebot?