Mein Zimmer auf Zeit habe ich am 28.06.2011 bezogen. Ein Fensterplatz, der Jackpot, was die Bettenverteilung angeht. Noch war alles neu und ich durfte mich frei bewegen - soweit mir das möglich war. Die 24-Std.-Dauerüberwachung am Monitor und die mehrmalige Blutdruckmessung haben nachts schon sehr gestört, so dass ich nicht wirklich schlafen konnte. Am nächsten Tag, mein 31. Geburtstag, sind meine Eltern, mit einem Haufen an Geschenken, Karten, etc., nach Heidelberg gekommen. Zusammen mit meinem damaligen Freund Stefan sowie Freunden haben wir mit Pizza und Salat vom Lieferdienst etwas gefeiert.
Meine Eltern sind am nächsten Tag wieder heim gefahren und für mich fing der Klinikalltag richtig an. Um das Herz zu unterstützen war es nötig, dass ich ein Dauer-Medikament über einen Zentralenvenenkatheter (ZVK, liegt in der Halsvene und endet kurz vor dem rechten Vorhof des Herzens) erhalte. Um die genaue Dosis zu bestimmen, was u. a. zu schweren Rhythmusstörungen führen kann, musste ich für 24 Std. die Kardiowach-Station beziehen. Mein Körper reagierte extrem auf das Medikament und ich war etwas länger als geplant auf der Station. Nachdem alles gut dosiert wurde konnte ich wieder mein Zimmer auf der Kardiologie beziehen und musste direkt feststellen, dass mein Schrank aufgebrochen wurde. Zum Glück fehlte nichts, der "Einbrecher" wurde anscheinend gestört.
Während des Klink-Aufenthaltes sind so einige Dinge geschehen. Über diese im Detail zu berichten würde sicher den Rahmen sprengen. Daher werde ich nur die erwähnen, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind.
Anfangs war es schon ungewohnt durch die ganzen Kabel und Zugänge - mehr oder weniger - am Bett gefesselt zu sein. Meine "Leine" zum ZVK war gerade mal so lang, dass ich einmal um mein Bett gehen konnte, vorausgesetzt, ich habe vorher die Strippen vom EKG sortiert. Mit der Zeit ging das aber alles wie von selbst und ich habe mich auch an das ständige Blutdruckmessen sowie die Alarmsignale gewöhnt. Bei jedem unregelmäßigen "Herzhüpfer" gab der Monitor ordentlich Signal. Hätte ich dem Personal für jeden gelaufenen Meter - um den Krach wieder abzustellen - einen Cent gegeben, wäre ich wahrscheinlich arm.
Das Duschen war anfangs ebenfalls eine Herausforderung. Mit Strippen und Monitor durfte ich manchmal ins Bad, bei offener Tür versteht sich. Die Privatsphäre gibt man eh direkt am Eingang ab, wenn man stationär aufgenommen wird. Was mich besonders belastet und auch geärgert hat, war die ständige Abhängigkeit. Vor allem die Transportfahrer, auf die ich schließlich angewiesen war, sei es um mit dem Rollstuhl oder im Bett von A nach B zu kommen. Sicher, die Jungs hatten viel zu tun und ich hatte Zeit, aber wenn die Warterei doppelt oder 3-fach so lange dauert wie die eigentlichen Untersuchungen, dann ist das schon sehr nervig auf Dauer.
Eine besondere Strapaze waren leider immer die ZVKs. Bei meinen Gefäßverhältnissen handelte es sich dabei um einen Akt, der sich unter einer Stunde oftmals nicht abspielen ließ, aber leider ein notwendiges Übel war. Eine Nacht bleibt mir, was das Thema angeht, besonders in Erinnerung. Da es sich, wie schon erwähnt, um den Zugang für das Dauermedikament handelt, ist glaube ich folgendes klar: wenn der alte ZVK raus muss (nach spätestens 10-14 Tagen), muss direkt der neue rein, üblicherweise an der anderen Halsseite. So auch diese Nacht. Aufgrund von Notfällen hatte es sich eben einmal etwas verzögert. Jedenfalls bin ich mit neuem ZVK rechts und alter ZVK-Wunde links zurück auf Station gekommen. Zum Glück hatte ich eine Bettnachbarin, diese konnte direkt Hilfe holen, als sich die Wunde vom alten ZVK öffnete und aus der Halsader ordentlich Blut raus pulsierte. Ein äußerst seltsames Gefühl. Ich habe versucht, mit meiner Hand die Wunde zuzuhalten, merkte aber, dass meine eh schon kaum vorhandene Kraft immer schwächer wurde. Mein Blutdruck sackte rapide ab. Zum Glück konnten die Schwestern die Wunde mit Hilfe eines Mittels nach einer gewissen Zeit wieder verschließen. In dieser Nacht habe ich vor lauter Erschöpfung so gut geschlafen, dass ich gar nichts mehr gemerkt habe.
Toilettenstühle sind ja auch ein Thema für sich. Ich fand sie zuerst immer unangenehm. Mit der Zeit jedoch wollte ich sie nicht mehr missen. So war ich nicht mehr auf das Personal angewiesen, welches mich anfangs für jeden Gang zur Toilette erst von der Kabelasche befreien musste bzw. später mit Toilettenstuhl oder Pfanne ins Zimmer kam. Mitunter konnte das nämlich leider sehr lange dauern und führte zu noch größerer Not inkl. Schweißausbrüche. Es ist aber immer alles gut gegangen, möchte ich an dieser Stelle betonen.
Nach 2-3 Wochen wächst einem Klinikpersonal schon ans Herz. Ok, die einen mehr, die anderen weniger. Im Großen und Ganzen habe ich es aber sehr gut angetroffen und kann mich wahrhaftig nicht beschweren. Mit einer Schwester, wir waren fast im selben Alter, habe ich mich von Anfang an besonders gut verstanden. Also habe ich ihr einfach das "Du" angeboten, fand ich schöner, wenn man eh schon so viel Zeit miteinander verbringt. Sie jedoch geriet etwas ins Stocken, hat mich komisch angesehen und meinte: 'normalerweise würde sie das nicht so gern machen. Sie hatte Angst, dass sich eine zu enge Bindung aufbaut. Ich müsste ihr versprechen, dass ich aus der Sache heile rauskomme, sonst könnte sie das nicht'.
Rums, das hat irgendwie gesessen.
Bis zu dem Zeitpunkt habe ich nämlich an gar keine andere Option gedacht, als an die, mit neuem Herzen die Klinik zu verlassen. Warum sollte ich sonst auch auf die Idee kommen, im Juli Winterstiefel zu bestellen?! Diese wurden mir von lieben Freundinnen bis nach Heidelberg zur Anprobe gebracht. Erst nachher habe ich erfahren, dass eine von ihnen nie gedacht hätte, dass ich die Stiefel jemals tragen werde...
aber ich habe sie sogar heute noch
und jedes Mal, wenn ich durch den Schnee stapfe,
muss ich lächeln.