· 

Startschwierigkeiten 2.0

 

Der Gedanke, dass mein Körper Mamas Niere abstoßen könnte, war mir vor der Transplantation überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Auch als nach dem Eingriff einiges dafür gesprochen hat, konnte und wollte ich es nicht glauben. Gewissheit würde nur eine Nierenbiopsie bringen.

 

Über den Eingriff und evtl. Risiken wurde ich aufgeklärt. Es war nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine Einverständniserklärung unterschrieben habe. Doch in diesem Fall seltsamerweise erstmals mit mulmigem Gefühl. Meine Schwester war zu Besuch. Sie merkte, dass mich der Eingriff beschäftigte und versuchte mir Mut zu zusprechen. Ok, sie hat sicher Recht. Doch innerlich erkannte ich mich selbst nicht wieder. Dieses für mich unbekannte negative Gefühl wollte einfach nicht verschwinden. Das bei mir?! Ich war schließlich immer optimistisch.

 

Naja, nützt ja nichts. Es musste ein Ergebnis her um schnellstmöglich notwendige Therapien einzuleiten. Ich habe mich von meiner Schwester und meinem Schwager mit Daumen hoch verabschiedet und wurde zur Biopsie abgerufen. Bei dieser wird unter lokaler Betäubung eine Aspirationsnadel durch die Haut gestochen und eine Gewebeprobe der Transplantatniere entnommen um sie auf Abstoßungsreaktionen zu untersuchen.

 

Im Behandlungsraum habe ich erfahren, dass die Ärztin diesen Eingriff erstmals vornimmt. Na super. Es ist schon klar, dass Ärzte auch mal irgendwann anfangen müssen, aber warum denn bitte ausgerechnet heute bei mir.

 

Erster Schuss….

Zack…..

es zuckte von der Einschussstelle bis in den kleinen Zeh.

„Aua“

„Sie können doch gar nichts merken“ so der anwesende Oberarzt.

„Habe ich aber“ …….

 

Der Schuss ging eh nach hinten los bzw. kam keine brauchbare Gewebeprobe bei rum. Zweiter Versuch. Die Proben waren brauchbar und ich hatte seltsamerweise keinen Schmerz verspürt. Geschafft.

 

Es ging zurück in den Beobachtungsraum. Nun hieß es viel trinken damit die Niere gut gespült wird. Ich habe direkt eine 0,5 Liter Flasche Wasser geext bevor ich eingeschlafen bin.

 

Dann war er da,

dieser höllische Schmerz.

 

Ich dachte mein Unterleib zerreißt.

 

 Mir war sofort klar:

mein anfängliches Gefühl hat mich nicht getäuscht.    

 

 Mir schossen die möglichen Komplikationen durch den Kopf:

 

„Das Hauptrisiko der Biopsie besteht in der Auslösung von Blutungen aus der Niere. Bei etwa 5% aller Biopsien tritt deshalb eine Rotfärbung des Urins ein, die meist von selbst verschwindet. Seltener muss zur Entfernung des Blutes aus der Harnblase ein Spülkatheter eingelegt werden oder es müssen Blutkonserven als Ersatz gegeben werden. Extrem selten ist es notwendig, eine Nachblutung operativ zu versorgen, um das Blutgefäß so zu verschließen. Wenn auch das nicht gelingt, besteht die extrem unwahrscheinliche Gefahr, dass Sie durch die Blutungskomplikation die Niere verlieren.“

 

 

Wie sich herausstellte, wurde bei dem Eingriff wohl ein Gefäß verletzt. Es kam zu starken Blutungen und ich konnte aufgrund von geronnenem Blut in der Blase kein Wasser mehr lassen. Es musste ein Zugang für mögliche Blutkonserven sowie schnellstmöglich ein Blasenspülkatheter gelegt werden. Am besten alles gleichzeitig. Zwei Ärztinnen und ein Pfleger bemühten sich redlich.

 

Die Tür ging auf. Das Gesicht des eintretenden Oberarztes werde ich auch nicht mehr vergessen. Er das Bild, das sich im bot, sicher ebenso wenig.

 

Ich lag auf der Liege. Am linken sowie rechten Fuß jeweils eine Ärztin, bemüht irgendwo einen Zugang hinein zu bekommen. Auf mir der Pfleger, der versuchte den Katheter in die richtige Öffnung zu platzieren. Seine Nervosität war der Tatsache geschuldet, dass diese Tätigkeit primär nicht zu seinem Aufgabengebiet, schon gar nicht bei jüngeren weiblichen Patienten. Der zuständige Urologe war jedoch verhindert und mir zu dem Zeitpunkt eh alles egal. Wer wie, wann oder was an oder mit mir gemacht hat - wenn ich jetzt zurück denke muss ich schon fast lachen - damals war mir eher zum Heulen zumute, wenngleich mein Humor auch in der Situation nicht auf der Strecke geblieben ist.

 

Oberarzt „Was ist denn hier los“

 

„Pinkelparty“  (ich)

 

Nach erfolgreichem Anlegen eines Blasenspülkatheters kam eine dezente Erleichterung. Aufgrund des Blutverlustes habe ich zwei Blutkonserven erhalten. In meinem Leben hatte ich schon einige bekommen und nie ein ungutes Gefühl. Dieses Mal jedoch schoss mir bei der zweiten ein Gedanke durch den Kopf, den ich zwar erst beiseite schob, der mich aber Jahre später wieder einholen sollte.

 

Doch musste ich gegen Abend vorerst eine ganz andere Hürde in Angriff nehmen.

 

Das Ergebnis der Biopsie:

 

akute Abstoßung.

 

Mit Sack und Pack (Foto) ging es auf die Intensivstation. Dort wurde versucht ein ZVK zu legen. Obwohl ich die Ärzte informiert habe, dass es sich bei mir am Hals sehr schwierig gestaltet, wurde bis 1.00 Uhr nachts probiert mit dem Ergebnis, dass der ZVK um 2.oo Uhr im linken Oberschenkel lag. Ich wurde mit Cortison vollgepumpt sowie Thymoglobuline (spezielles Immunglobulinpräparat zum Erhalt des Transplantats). Dieses konnte ich leider nicht gut vertragen, reagierte mit hohem Fieber und starkem Schüttelfrost. Schüttelfrost und ZVK im Bein ist leider keine gute Zusammenstellung. Ein Nerv wurde beschädigt, so dass ich noch ein halbes Jahr später ab und zu das Gefühl hatte, ich hätte ein nasses Hosenbein. Doch sei erwähnt,  ich hatte immer alles unter Kontrolle.

 

Am nächsten Tag stand die erste Plasmapherese (Plasmaaustausch-Verfahren) auf dem Programm. Darunter muss man sich eine Art Dialyse vorstellen, nur unangenehmer. Ich habe mich gefühlt wie eine Stopfgans. Dachte, mein Bauch platzt. Mit von der Partie war natürlich auch mein Dauerspülkatheter. Dieser hat zwar Linderung geschafft, doch kam ich nicht darum herum, dass mir der Urologe einige Tage später manuell das Blut aus der Blase ziehen musste. Wer mal eine Blasenentzündung hatte, kennt diesen stechenden Schmerz, der nun doch um ein vielfaches stärker war. Nach dem ich mich mental auf "meine Blumenwiese" gebeamt hatte und ein halber Eimer Blut raus gezogen wurde, durfte ich wieder zurück auf die Intensivstation. Dort hat mich direkt die nächste Blutkonserve empfangen. 

 

Die nächsten Tage hieß es hoffen, dass die Abstoßung behandelt werden kann. Zwischenzeitlich habe ich so gut wie kaum etwas mitbekommen und überwiegend geschlafen. Nach der dritten oder vierten Plasmabehandlung besserte sich mein Allgemeinzustand ein wenig. Wie blöd habe ich darauf gewartet, dass sich mein Urinbeutel endlich wieder ein wenig füllt.

 

Es kann und darf einfach nicht sein, dass  ich zurück an die Dialyse muss und Mama mir ihre Niere umsonst geschenkt hat. 

 

Ich musste mal wieder kämpfen,

 

für die Niere,

 

für Mama,

 

für ein unbeschwertes Leben!