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Hallo Herz!

Das Einschlafen kurz vor einer Narkose finde ich immer sehr angenehm, das Aufwachen allerdings eher nicht. Man ist noch gar nicht richtig orientiert und bemerkt direkt den Tubus, der für die künstliche Beatmung nötig ist, im Hals. Schlucken geschweige denn sprechen ist unmöglich. Die Produktion von Speichel war zu meinem Leidwesen jedoch bestens. Immer wieder im Halbschlaf hatte ich permanent das Gefühl an ihm zu ersticken. Ich geriet etwas in Panik, weil niemand reagierte. Ok, die OP wäre überstanden, aber wenn nicht direkt jemand mit einem Speichelsauger kommt, ertrinke ich eben. Ich mag dieses Gefühl nicht, sich nicht richtig bemerkbar machen zu können. Doch wurde ich zum Glück immer noch rechtzeitig gerettet - nach meinem Empfinden kurz vor knapp. 

 

Den genauen zeitlichen Ablauf oder die Reihenfolge der kommenden Erinnerungen kann ich nicht mehr richtig zuordnen. Das Erste woran ich mich erinnere ist: Stefan. Er stand links neben meinem Bett. Als er meine Hand genommen hat, kam mir der Gedanke, diese ganz fest zu drücken. Je fester ich drücke umso eher weiß er wie gut es mir geht. Ich habe ihm beinahe die Hand zerquetscht, so seine Worte einige Tage später. Rechts vom Bett stand ein mir unbekanntes Gerät. Als ich darauf gezeigt habe, sagte Stefan, es sei ein Dialysegerät. Komisch, aber wenn es dort steht, wird das wohl seinen Sinn haben. Ich bin wieder eingeschlafen.

 

Aus weiter Ferne hörte ich irgendwann Stimmen, die mir befahlen tief ein- und auszuatmen, wenn das dementsprechende  Kommando gegeben werden würde. Der Tubus wurde entfernt. Einerseits ein komisches, aber zugleich befreiendes Gefühl. Die Halsschmerzen verschwinden eigentlich nach einem Tag, doch sind sie trotzdem unnötig in meinen Augen. Direkt ertönte das spezielle Geräusch, wenn irgendjemand nicht richtig Luft holt. „Frau Kaaaaaarlheiiiiiiiim, aaaaatmen…..!“ 'Jaaaaa, mach ich doch. Ich bin aber noch so müde' waren meine Gedanken. Schon wieder das Geräusch, verdammt, das kann doch nicht so schwer sein. Wenigstens bestand die Gefahr zu ertrinken nicht mehr. Das Ziehen der Nasensonde ist im Vergleich zum Tubus eher eine kitzelige Angelegenheit.

 

Irgendwann war „ein großer Haufen weiß“ zu sehen. Ich muss anmerken, dass ich unwahrscheinlich kurzsichtig bin, ca. -11 Dioptrien, also erkenne ich ohne Sehhilfe nichts was weiter als 30 cm von mir entfernt ist. Auf der Intensivstation war ich somit die ersten Tage quasi blind. Ein Arzt hat sich zu mir herunter gebeugt. Seine Worte werde ich nie vergessen:

 

„Sie haben ein ganz tolles kräftiges Herz bekommen.“

     

Im Hintergrund hörte ich einen Arzt dem Chefarzt mitteilen, dass es wohl kurz vor dem Ende der OP zu einem starken Blutdruckabfall gekommen sei und die Nieren etwas Probleme bereiten würden.

 

Als ich das nächste Mal aufgewacht bin habe ich mich wahnsinnig erschrocken.

 

„Oh Gott, das Herz, schlägt es überhaupt?

Ich merke gar nichts.“

 

Wenn man Jahre zuvor permanent Rhythmusstörungen hatte und fast jeden Schlag spürte, ist so ein ruhiges gesundes Herz ganz ungewohnt. Ich habe in der ersten Zeit oft mit der Hand aufs Herz gefasst um den Schlag so wenigstens zu spüren.

 

Meine Eltern hatten sich angekündigt. Seit dem Donnerstagabend vor der OP hatte ich sie nicht mehr gesprochen. Mein Handy war noch auf der kardiologischen Station der Klinik für Innere Medizin eingeschlossen. Mittlerweile war es Montag und ich dementsprechend richtig aufgeregt vor Freude. Ein lieber Pfleger hat mir noch die Haare gewaschen, im Liegen mit einem aufgeschnitten blauen Müllsack als Wasserschutz unter mir, während eine Schwester Essens- und Trinkwünsche aufgeschrieben hat um diese an meine Eltern weiterzuleiten. So hatte ich dann aber auch genügend Zeit mich mit Hilfe des Pflegepersonals in einen Lehnstuhl zu platzieren. Empfangen habe ich meine Eltern sitzend mit frisch gewaschenen Haaren und freudestrahlend. „Papa, jetzt habe ich auch eins“ waren meine ersten Worte. Wir haben uns umarmt und waren unheimlich erleichtert und glücklich.

 

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